Bei unserem Besuch letztes Frühjahr (2016) nahmen wir uns erstmal Zeit den Keramik-Künstler Kato Juunidai (die 12. Generation in der Geschichte der Keramikerfamilie) genauer kennenzulernen. Zunächst führte Kato Juunidai uns in ein traditionell japanisch eingerichtetes Zimmer (Washitsu), das mit Reisstrohmatten (Tatami) ausgelegt nur über eine kleine Stufe zu erreichen ist, und selbstverständlich nur ohne Schuhe betreten werden kann. Dort gehört es entsprechend auch dazu, vor einem niedrigen Tisch am Boden kniend Platz zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt trat die 80-jährige Mutter des Künstlers in Erscheinung, die uns dezent begrüßt, und uns Matcha darreicht. Wir bestaunen die Matchaschalen, die ganz offensichtlich besondere Stücke darstellen, und bemerken, dass es sich dabei durchaus um ältere Werke handeln müsste, wie deren Oberfläche zu erkennen gibt.
Herr Kato bemerkt unsere staunenden Blicke und unsere Bewunderung für die alten Matchaschalen, und erklärt uns, dass diese von seinem Großvater, also der 10. Generation der Familie stammen. Es lässt sich erkennen, dass die Schalen von bestimmten althergebrachten Glasuren geprägt sind, doch wurden diese in einer gewissen Weise farblich abgewandelt, anders strukturiert, verziert, oder aber für Matchaschalen verwendet, deren Formgebung eine außergewöhnliche Kombination mit der Wirkung der Glasuren eingeht. Dabei ist nicht von einem groben Bruch mit der Tradition die Rede, sondern von einer dezenten, sehr charmanten Abwandlung.
Während des letztjährigen Besuchs (2016), nachdem wir aus den edlen Matchaschalen getrunken haben, erlauben wir uns zu fragen, wer denn diese Werke erschaffen habe. Es stellt sich heraus, dass es Werke des Großvaters von Herrn Kato sind, also der 10. Generation, der sich, besonders in hohem Alter, ausschließlich der Erschaffung von besonderen Matchaschalen verschrieben hatte. Nachdem der damals knapp 60-jährige Herr Kato überrascht feststellt, dass wir uns wirklich tiefgehend für die älteren Werke seines Großvaters interessieren, lädt er uns ein, mit ihm in einen anderen Teil des Gebäudes zu kommen, in dem sich auch die Werkstatt befindet. Dort angekommen erwartet uns ein kleiner Raum, der allein der Präsentation von besonderen Matchaschalen-Unikaten gewidmet ist. Wir fühlen uns geehrt, denn Kato Juunidai erklärt und, dass er Gäste nur selten in diesen Raum führt. In gewisser Weise ist es auch ein Raum zum Andenken an seinen Großvater, denn hier finden sich vornehmlich die Matchaschalen der 10. Generation, obgleich in einem kleinen Regal zumindest auch einige Werke der 12. Generation zu sehen sind. Wir knien auf dem Boden, um die ehrwürdigen Matchaschalen des Großvaters aus der Nähe betrachten zu können.
Eine Matchaschale sticht uns besonders ins Auge: Es handelt sich um eine Matchaschale aus absichtlich gerissenem Ton, die auf den ersten Blick sehr unscheinbar wirkt. Der Ton ist hellbeige, die Form ist so aufgebaut, dass der Radius sich über dem Fuß sofort schlagartig vergrößert, dann aber nicht kantig, sondern leicht abgerundet in die vertikale Aufstrebt. Die Form endet am oberen Rand der Schale mit deutlich gerissener Kontor, die von einer leicht bläulichen Glasur, die nur dezent aufgetragen ist, abschließt. So etwas haben wir noch nie gesehen. Von Herrn Kato erfahren wir, dass es sich um eine „Ofuke Chawan“ handelt, also um eine Matchaschalen im Ofuke-Stil.
Wieder zurückgekehrt in den Washitsu (japanischen Raum), in dem wir uns nochmals zum Gespräch niederlassen, drückt Herr Kato aus, der er sich über eine Zusammenarbeit mit uns sehr freuen würde. Wir betonen, dass wir von den Schalen seines Großvaters ebenso begeistert sind, wie von den seinigen, und dass wir uns auf jeden Fall melden werden. Jedoch, zurück in Deutschland stürzt die täglich Arbeit auf uns herein, und wir kommen erst mehr als ein halbes Jahr später wieder dazu, unsere Ideen zu konkretisieren, und uns bei Herrn Kato zu melden, so dass wir fürchten, er würde vielleicht schon nicht mehr damit rechnen, dass wir uns noch melden. Wir erlauben uns im Gespräch mit ihm, wieder auf das Thema der alten Ofuke-Matchaschale seines Großvaters zu sprechen zu kommen. Kato Juunidai ist überrascht zu hören, dass wir die Matchaschale seines Großvaters bis jetzt nicht vergessen konnten, und freut sich dies zu hören, denn mehr als sein Vater, hatte sein Großvater die Funktion eines Lehrers für den Enkel. Der genau 1900 geborene Großvater Kato Juudai widmete sich ab seinem 77 Lebensjahr bis ins hohe Alter, als er mit 91 Jahren verstarb, derartigen Matchaschalen, und dies begeisterte den Enkel mehr als der Arbeitsstil des Vaters, der sich eher der Anfertigung von großen Serien widmete, die er mit Hilfe von einer ganzen Reihe von Mitarbeitern herstellen ließ.
Kato Juunidai betont ins unserem Gespräch, dass genau diese Matchaschale eines derjenigen Werke seines Großvaters darstellt, die auch ihn begeistern, und wir kommen auf das Thema zu sprechen, ob es nicht möglich wäre eine kleine Serie an Ofuke-Matchaschalen angefertigt zu bekommen, die der Enkel an den Stil seines Meisters – sein Großvaters – anlehnt. Kato Juunidai ist begeistert von der Idee, und schneller als verhofft betont er, er würde gleich damit beginnen. Wir sind erstaunt, wie offen Herr Kato für unsere Idee ist, sind wir doch von anderen alteingesessenen Familien, die schon seit vielen Generationen ein Handwerk oder eine Kunst betreiben, und über die Jahre hinweg zu Ruhm und Ansehen gekommen sind, eher Hochmut und Distanz gewohnt, die einen solchen Vorschlag zwangsläufig mit einem Hieb – versehen mit freundlichen Lächeln – zurückweisen müssten. Doch Herr Kato verbindet seine Kunst und Familiengeschichte eher mit künstlerischer Offenheit für Neues, Inspiration durch Begegnung mit anderen Kulturen, und mit der Bereitschaft auf die Ideen von Kunstliebenden einzugehen, wie wir es selbst erfahren durften.
Letztlich ergibt es sich Ende 2016, dass Kato Juunidai für uns zwei kleine Serien, von je 25 Exemplaren hergestellt, die eine Interpretation von jeweils einer Matchaschale seines Großvaters basieren. Selbstverständlich handelt es sich dabei nicht um 25 gleiche Schale, denn alle wurde einzeln per Hand gefertigt, und nicht gepresst. Auch der Glasurauftrag ist bei jeder Matchaschale, wie man leicht erkennen kann, wenn man mehrere Schalen der Reihe vor sich hat, deutlich unterschiedlich. Eine der beiden Serien, eine Interpretation der Ofuke-Matchaschale seines Großvaters, der 10. Generation der Keramikerfamilie Kato, ist zudem nicht einmal auf der Töpferscheibe gedreht, sondern gänzlich frei mit den Händen geformt. Dies ist vor dem Hintergrund auch klar, denn die Ofuke-Matchaschale, die aus dem letzten Jahrhundert stammt, ist stark gerissen, wie oben erwähnt, was durch die absichtlich den Ton spreizenden Technik bei der Formung per Hand verursacht wird. Auch der gesamte Korpus der Matchaschale ist unregelmäßig, nicht wie bei einer auf der Töpferscheibe symmetrisch gedrehte Schale, aber auch nicht wie bei einer erst auf der Töpferscheibe gedrehten, und nachträglich deformierten Matchaschale. Die Oberfläche der Ofuke-Matchaschale wirkt eher wie eine Mischung aus Schildkrötenpanzer und Mondlandschaft.
Die 25 Exemplare der Serie von Ofuke-Matchaschalen, die Ende 2016 begonnen, und Anfang 2017 von Herrn Kato der 12. Generation (Kato Juunidai) fertig gestellt wurde, ließen wir nach Fertigstellung Anfang März absichtlich noch nicht nach Europa schicken, um die Gelegenheit zu haben, sie noch in Japan vor Ort beim Künstler gemeinsam mit ihm betrachten zu können.
„Sind sie nicht schön?“ fragt uns Herr Kato bei unserem Besuch Mitte April 2017. Wir antworten „sie sind unglaublich!“
Wir beraten uns noch darüber, ob die von Herrn Kato vorgesehene Verpackung der Ofuke-Matchaschalen wirklich 100% sicher ist für den Transport nach Europa, denn es wäre aus unserer Sicht ein Drama, wenn eines der Werke verletzt werden würden, und stellen fest, dass alles so verpackt ist, dass die Matchaschalen sich auf den Weg machen können. Anfang Mai wird es soweit sein, dass sie an einigen entsprechenden Orten erhältlich sein werden.
Doch ganz zuletzt bei unserem diesjährigen Treffen ergibt sich noch etwas, auf das wir lange gewartet haben: Vorsichtig und mit dem entsprechenden Grad an Höflichkeit und Zurückhaltung fragen wir, ob es nicht unter Umständen die Möglichkeit gäbe, die historische Ofuke-Matchaschale des Großvaters (Juudai no Ofuke Chawan) zu erstehen. Nachdem Herr Kato mit seiner Mutter Rücksprache gehalten hat, sind wir mehr als erfreut, denn die Familie gibt die fantastische Matchaschale für uns frei. Glücklicherweise konnten wir am Morgen des heutigen Tages noch eine entsprechende Menge Bargeld abheben, um so das langersehnte Unikat – tatsächlich haben wir das ganze Jahr darauf gewartet, und immer wieder an diese Matchaschale gedacht – erwerben zu dürfen.
[…] (This blog entry was translated into English from the original text by A.M. GbR, that was published in German on teeraumdesigner.com) […]